Lexikon
Neapolitanischer Spätbarock

In Neapel, wo Caravaggio zu Beginn des 17. Jahrhunderts tiefe Fußspuren hinterlassen hatte, blieb der veristische Zug des Frühbarock bis ins 18. Jahrhundert hinein wirkungsvoll. Der Caravaggismus hatte auch die neapolitanische Schule des ausgehenden 17. Jahrhunderts geprägt, aus der so bedeutende Meister wie Mattia Preti und Luca Giordano hervorgegangen waren. Diese hochbarocken Künstler hatten einen fruchtbaren Boden für den Spätbarock Neapels bereitet, dessen bedeutendste Persönlichkeit mit Francesco Solimena (1657-1747) fassbar wird. Die in kraftvollem Hell-Dunkel kühn komponierten, dekorativen und zugleich realistischen Werke dieses Meisters verbinden Virtuosität und Raffinesse mit besonderer Klarheit. Solimenas Stil, dem barocke Wucht näher scheint als rokokohafte Leichtigkeit, fand zahlreiche Nachfolger; darunter etwa Sebastiano Conca, der die Prinzipien seines Lehrers im Sinne eines frühen Klassizismus fortführte. Doch nicht nur auf seine Landsleute wirkte Solimena stilbildend: Zumal das Königreich Neapel zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter österreichischer Herrschaft stand, ist die Kunst gerade dieses Landstriches deutlich von Solimenas Oeuvre geprägt. Der Neapolitaner beeinflusste den expressiven österreichischen Spätbarock eines Paul Troger oder Daniel Gran; und auch der gebürtige Warschauer Bartolomeo Altomonte, der in Österreich Erfolge feierte, hatte seinen Stil unter Solimenas Anleitung gefunden.
Zwar blieb die neapolitanische Schule auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedeutsam, doch schon um die Jahrhundertmitte musste die Vormachtstellung einer anderen Stadt überlassen werden: Venedig.