Lexikon
Narrative Figuration

Narrative Figuration (oder im französischen Terminus: "figuration narrative") kann als das kontinentaleuropäische Pendant zur Pop Art gelten, dessen Wurzeln in Frankreich liegen. Die Narrative Figuration ist nicht als geschlossene Künstlergruppierung, sondern als offene Bewegung zu verstehen, die 1964 im Kontext der Pariser Ausstellung "Mythologies quotidiennes" (zu deutsch: "Alltagsmythologien") entstand.
Das Entstehungsjahr der Narrativen Figuration war auch das große Jahr der Pop Art, die 1964 auf der Biennale in Venedig Erfolge feierte und sich zur führenden figurativen Strömung erhob. Inspiriert von diesem nun in ganz Europa bekannt gewordenen neuen Stil initiierten die Künstler Bernard Rancillac (geb. 1931) und Hervé Télémaque (geb. 1937) daraufhin gemeinsam mit dem Kunstkritiker Gérald Gassiot-Talabot die Schau "Mythologies quotidiennes", an der 34 Künstler teilnahmen, die sich in ihrer figurativen Kunst gegen die vorherrschende Abstraktion wandten und, angeregt von der Pop Art, Bezüge zur zeitgenössischen Gesellschaft und ihren Objekten herstellten.
Anliegen der Narrativen Figuration war es, mit ihrer Kunst nicht nur die moderne Pop-Ästhetik aufzugreifen, sondern auch einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Elemente der amerikanischen und englischen Pop Art vermengten sich dementsprechend mit Tendenzen eines Kritischen Realismus. Motivisch wurden hierfür die Bildwelten aus Werbung, Comic, Film und Fotografie und auch aus der älteren Kunstgeschichte aufgegriffen, die in überraschende Zusammenhänge gebracht und gleichsam in neue, oft politisierte "Narrationen" eingebettet wurden.
Zu den an der ersten Ausstellung teilnehmenden Künstlern zählten Eduardo Arroyo, René Bertholo, Gianni Bertini, Öyvind Fahlström, Peter Klasen, Jacques Monory, Antonio Recalcati, Jan Voss und andere. Rasch entstand aus den "Alltagsmythologien" eine breite und internationale Bewegung der Narrativen Figuration, zu deren Hauptvertretern neben den bereits Genannten auch Valerio Adami, Gilles Aillaud, Henri Cueco, Erró, Gérard Fromanger und Peter Stämpfli rechnen.
Die Narrative Figuration bestand bis in die 1970er Jahre.