Lexikon
Französisches Rokoko

Die Wiege des Rokoko stand in Frankreich: Hier wurden die Grundlagen geschaffen, die zur Ausbreitung des Stils in ganz Europa führen sollten. Die Anfänge liegen in der Epoche der Régence (um 1710-30) und führen zu einem strahlenden Höhepunkt im Louis-quinze (um 1730-55). Das Rokoko rettet sich schließlich in den Style Transition (1755-60) und klingt, bereits klassizistisch verwandelt, im Louis-seize (um 1760-90) aus.
Das französische Rokoko ist als Reaktion auf den rationalen "Classicisme", den strengen und ehrfurchterweckenden französischen Hochbarock, zu verstehen, zu dem es einen deutlichen Kontrast bildet. Dieser Richtungswechsel kündigte sich bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert an, als der Theoriestreit von "Poussinisten" (Primat der Zeichnung) und "Rubenisten" (Primat der Farbe) die Gemüter an der französischen Akademie erhitzte. Nun, im beginnenden 18. Jahrhundert, ist der Disput zugunsten eines sinnlichen Kolorismus entschieden. Auch kunsttheoretisch zeigt sich die Abkehr vom Rationalismus: Gefordert wird nun eine Betonung der Empfindung, der "sensation", in den Künsten, exemplarisch in Jean-Baptiste Dubos` Arbeit "Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture" aus dem Jahr 1719. In diesem Kontext sind auch die Aufwertung bislang untergeordneter Gattungen und eine Schwerpunktverschiebung innerhalb hergebrachter Sujets zu beurteilen. Unter den griechischen Göttern und Helden werden nun nicht mehr die hehren Gestalten wie Apoll oder Herkules, sondern die sinnlichen Figuren Pan und Venus bevorzugt. Ein oftmals erotisiertes Arkadien in allen Spielarten - als Ort galanter Hirten, als Wirkungsstätte Pans, als Heimstatt der Nymphen - wird zu einem Hauptthema aller Künste und dringt sogar, etwa im "Schäferspiel", direkt in die höfische Lebenswelt ein.
Die dem Richtungswechsel von Classicisme zu Rokoko entsprechenden Darstellungscharakteristika sind in Licht, Farbe und Duktus festzumachen: Pastellartige Töne wie Rosé und Lichtblau verbinden sich mit hellem Gelb, Weiß und Grau; Gold und Silber ergänzen die Farbklänge im Möbeldekor und der Inneneinrichtung. Die Beleuchtungssituation schafft Bildräume von unbeschwerter Heiterkeit, das Licht dringt in alle Winkel und vermeidet dramatische Kontraste. Ein offener, duftiger Pinselstrich verleiht den Werken des französischen Rokoko den Anschein spielerischer Leichtigkeit.