Auktion: 520 / Evening Sale am 18.06.2021 in München Lot 306

 

306
Alexej von Jawlensky
Kleines Haus vor Buschwerk (Französische Landschaft), 1906.
Öl auf Malpappe, auf starke Malpappe kaschiert
Schätzung:
€ 140.000
Ergebnis:
€ 212.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Kleines Haus vor Buschwerk (Französische Landschaft). 1906.
Öl auf Malpappe, auf starke Malpappe kaschiert.
Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 169. Verso von Andreas Jawlensky, dem Sohn des Künstlers, im Jahr 1957 handschriftlich bestätigt: "Ich bestätige hiermit / dass das Bild 'Kleines Haus vor / Buschwerk' / ein Original meines Vaters / A. Jawlensky 1906 ist / Andreas Jawlensky / 11.II.1957 / Basel". 50 x 53 cm (19,6 x 20,8 in).
Auf der Rückseite von "Kleines Haus vor Buschwerk" befand sich ursprünglich das ebenfalls über die Galerie Beyeler, Basel, veräußerte Gemälde "Parkweg" (Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 2266). Beide Arbeiten wurden bereits vor 1957 getrennt und das "Kleine Haus vor Buschwerk" dann im Zuge der Jawlensky-Ausstellung bei Beyeler 1957 – wie auch andere dort gezeigte Werke – verso von Andreas Jawlensky mit einer Echtheitsbestätigung versehen. [JS].
• Eine der seltenen, frühen französischen Landschaften, die durch ihren lockeren pointillistischen Duktus und ihre expressive Farbigkeit begeistert.
• Mit pastosem Farbauftrag erzeugt Jawlensky mit jedem einzelnen Pinselstrich sichtbare Präsenz.
• In Frankreich findet Jawlensky in Auseinandersetzung mit den Impressionisten und Fauvisten zu einer entfesselten Farbigkeit.
• In den frühen Jawlensky-Ausstellungen in der Kunsthalle Bern (1957) und der Kunsthalle Mannheim (1958) ausgestellt.
• Vergleichbare Werke befinden sich u.a. in der Pinakothek der Moderne, München, und im Museum Folkwang, Essen
.

PROVENIENZ: Galerie Beyeler, Basel (mind. 1957–1959, verso mit dem Etikett).
Privatsammlung Olten (1959 vom Vorgenannten erworben).
Galerie Gunzenhauser, München.
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (wohl 1974 bei Gunzenhauser erworben, seitdem in Familienbesitz).

AUSSTELLUNG: Alexej von Jawlensky 1864–1941, Galerie Beyeler, Basel 1957, Kat.-Nr. 14.
Alexej von Jawlensky 1864–1941, Kunsthalle Bern / Saarland-Museum Saarbrücken, 1957, Kat.-Nr. 7 (verso mit dem Etikett des Saarland-Museums).
Alexej von Jawlensky 1864–1941, Kunstverein Hamburg, 1957, Kat.-Nr. 6.
Alexej von Jawlensky 1864–1941, Württembergischer Kunstverein Stuttgart / Städtische Kunsthalle Mannheim, 1958, Kat.-Nr. 8.
Les Fauves, Galerie Beyeler, Basel 1959, Kat.-Nr. 29.

LITERATUR: Clemens Weiler, Alexej Jawlensky, Köln 1959, Kat.-Nr. 518, mit Abb. S. 262.

"Zum erstenmal habe ich damals verstanden zu malen, nicht das, was ich sehe, aber das was ich fühle [..] Und ich verstand, die Natur entsprechend meiner glühenden Seele in Farben zu übersetzen. Ich malte dort viele Landschaften, vom Fenster Gebüsche und bretonische Köpfe. Die Bilder waren glühend in Farben. Und mein Inneres war damals zufrieden."
Alexej von Jawlensky, zit. nach: Alexej von Jawlensky, Reisen, Freunde, Wandlungen, Ausst.-Kat. Dortmund 1998, S. 42.

In glühender Verehrung reist Jawlensky also zu den Wirkungsstätten seiner Vorbilder in der Hoffnung, vielleicht ein übersehenes Werk des Meisters zu entdecken, aber auch, um die Atmosphäre der Orte, der Gegenden auf sich wirken zu lassen. Auch scheint ihm wichtig, seine Kenntnis über die jüngsten französischen Strömungen der Malerei, besonders der Werke van Goghs und auch Gauguins – für ihn ist auf dem Salon eine umfangreiche Retrospektive zum Gedenken eingerichtet – zu vertiefen, um seine eigene malerische Entwicklung in Anlehnung an die Neoimpressionisten zu überprüfen. Die Kenntnis der Malerei der "Fauves" – Matisse, Derain und Vlaminck –, die mit ihrer ersten Präsentation auf dem Salon d’Automne 1905 in Paris für Aufregung sorgen, werden am Ende der Reise in der Provence im Herbst/Winter 1906 auch seine Palette verändern. Jawlensky beschickt zwar den Salon 1905 mit sechs Bildern – überwiegend Stillleben –, ist aber selbst nicht in Paris und auch nicht in Frankreich. Ein Jahr später steht zunächst die Bretagne auf dem Reiseplan, die künstlerische Heimat von Gauguin und seinen Nachfolgern, den "Nabis". Ob Jawlensky und Werefkin auch die Orte Pont-Aven und Le Pouldu im Süden der Halbinsel aufsuchen, wo Gauguin zeitweise lebte, ist anzunehmen, man weiß es aber nicht. Die Landschaft am Atlantik stimuliert Jawlensky jedenfalls nachhaltig: „Zum erstenmal habe ich damals verstanden zu malen, nicht das, was ich sehe, aber das was ich fühle [..] Und ich verstand, die Natur entsprechend meiner glühenden Seele in Farben zu übersetzen. Ich malte dort viele Landschaften, vom Fenster Gebüsche und bretonische Köpfe. Die Bilder waren glühend in Farben. Und mein Inneres war damals zufrieden“, schwärmt der Künstler in seinen Lebenserinnerungen (zit. nach: Alexej von Jawlensky, Reisen, Freunde, Wandlungen, Ausst.-Kat. Dortmund 1998, S. 42).
Zwei Jahre später wird Jawlensky in der Modernen Kunsthandlung Brakl & Thannhauser in München fündig und erwirbt unter großer finanzieller Anstrengung mit Entgegenkommen Johanna van Gogh-Bongers den ersehnten van Gogh: das Gemälde "Straße in Auvers" mit dem Haus des Père Pilon aus dem Jahr 1890. In einem Brief vom 28. März 1908 bedankt er sich bei der Schwägerin des Künstlers: "Hochgeehrte Gnädige Frau! Gestern habe ich mit Herrn Brakl den geschäftlichen Theil meines Kaufes erledigt. Heute will ich meiner Herzensfreude Ausdruck geben das mir so theure Werk zu besitzen, und Ihnen, Gnädige Frau, meinen innigsten Dank ausdrücken, dass Sie, durch Ihr liebenswürdiges Zuvorkommen, mir zu diesem Besitz verholfen haben. Van Gogh ist mir ein Lehrer und ein Vorbild gewesen. Als Mensch und Künstler ist er mir theuer und lieb. Etwas von seiner Hand zu besitzen war seit Jahren mein heisser Wunsch. In Paris und in Arles habe ich nach seinen Werken gesucht [..]“ (zit. nach: Walter Feilchenfeldt, Vincent van Gogh und Paul Cassirer, Zwolle 1988, S. 67). [MvL]



306
Alexej von Jawlensky
Kleines Haus vor Buschwerk (Französische Landschaft), 1906.
Öl auf Malpappe, auf starke Malpappe kaschiert
Schätzung:
€ 140.000
Ergebnis:
€ 212.500

(inkl. Käuferaufgeld)