Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 372

 

372
Otto Dix
Blick in den Hegau, 1940.
Mischtechnik
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 100.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Blick in den Hegau. 1940.
Mischtechnik auf Holz.
Löffler 1940/9. Rechts unten mit dem Künstlersignet sowie datiert. 65 x 85 cm (25,5 x 33,4 in). [KD].

Eine der stillen Hegaulandschaften aus der Zeit der inneren Emigration.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (bis 2002).
Privatsammlung Niedersachsen.

AUSSTELLUNG: Otto Dix 1891 - 1969, Museum Villa Stuck, München 1985, Kat.-Nr. 361 (mit Farbabb. S. 220).

LITERATUR: Wolfgang Rainer, Die Moral des Augenscheins. Münchner Bemühung um das Werk von Otto Dix, in: Stuttgarter Zeitung Nr. 223, 1985, S. 35.

Der am 2. Dezember 1891 geborene Otto Dix wächst mit drei jüngeren Geschwistern in einer sozialdemokratisch gesinnten Familie am Rande der Residenzstadt Gera auf. Nach einer Lehre als Dekorationsmaler und dem anschließenden Besuch der Kunstgewerbeschule in Dresden wird Dix' Ausbildung durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Vier Jahre lang ist Dix als Soldat in Frankreich, Flandern und Russland. Nach Kriegsende beginnt Dix ein Studium an der Dresdner Kunstakademie und wird zum Mitbegründer und Mittelpunkt der "Dresdner Sezession - Gruppe 1919". Im Herbst 1922 siedelt Otto Dix nach Düsseldorf über und wird an der Kunstakademie Meisterschüler von Heinrich Nauen und Wilhelm Herberholz. Die Kriegserlebnisse werden für Dix Auslöser für seine beißend-kritischen Bilder wie u.a. "Der Schützengraben"(1923), welches neben zwei weiteren Gemälden einen Kunstskandal auslöst. Im selben Jahr beginnt Dix als Höhepunkt und Abschluss seines frühen grafischen Œuvres den Radier-Zyklus "Der Krieg". Nach expressionistischen und dadaistischen Anfängen wendet sich Dix ab 1922 der Neuen Sachlichkeit zu, er siedelt im November 1925 nach Berlin über und avanciert zum profiliertesten Porträtmaler der Berliner Bohème und der intellektuellen Gesellschaft der Weimarer Republik. 1927 erhält er eine Professur an der Dresdner Akademie, aus der er 1933 entlassen wird und als "unerwünschter Künstler" schließlich Ausstellungsverbot erhält. Dix siedelt daraufhin nach Randegg bei Singen, drei Jahre später nach Hemmenhofen am Bodensee um.

In der Zurückgezogenheit auf Schloss Randegg im Hegau entdeckt Otto Dix nach langem Zögern die ihn umgebende Landschaft für sich. Seine Malweise hatte - inzwischen völlig geändert und geschult an den Vorbildern der Donauschule, vor allem aber an Martin Schongauer, - einen fein temperierten Duktus gefunden, der der lieblichen Landschaft entgegenkommt. Dazu tritt eine Farbauffassung, die in ihrer subtilen Differenziertheit den altmeisterlichen Tenor noch unterstreicht. Dix hebt die Landschaft in eine eigene Sphäre der romantischen Aussage. Seine detailreichen Bildelemente stehen nicht isoliert in einer sich ausbreitenden Landschaft. Eine dunstige Ferne beherrscht die Bildmitte. Sie ist Ziel und Sehnsuchtsort einer künstlerischen Einsamkeit, wie sie Otto Dix in den Jahren nach der Entlassung aus seiner Professur an der Dresdner Akademie empfunden haben muss. Die enorme malerische Präzision, die von einem fundierten technischen Können zeugt, war Stütze und Hilfe in der Ausführung dieser Landschaftsbilder, sie ist jedoch nicht Selbstzweck. Otto Dix gelang mit diesen Arbeiten eine stille und bewunderungswürdige Aussage einer unverbrauchten künstlerischen Präsenz, die auch in den Jahren der Ausgrenzung nichts von ihrer Kraft eingebüßt hat.

1945 wird der Künstler zum "Volkssturm" eingezogen und gerät in Colmar in französische Gefangenschaft. Nach dem Krieg führen jährliche Arbeitsaufenthalte in Dresden, die Mitgliedschaft an den Akademien der Künste in Berlin-Dahlem und Ostberlin zu einem steten Pendeln über eine Staatsgrenze und zwei Staatskünste hinweg. Dix' Reisen nach Südfrankreich, Italien und Griechenland werden 1962 um einen Studienaufenthalt in der Villa Massimo in Rom und zwei Jahre später um die Ehrenmitgliedschaft an der Florentiner Accademia degli Arti del Disegno bereichert. Dix' Interesse gilt weiterhin dem Porträt, daneben spielen religiöse Themen und die Landschaftsmalerei eine dominierende Rolle. Otto Dix gehört zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Sein Werk spiegelt in seiner vitalen Wandlungsfähigkeit die Zäsuren des Jahrhunderts wider, allerdings ohne je die Abstraktion mitzumachen, die Otto Dix bis ins hohe Alter abgelehnt und kritisiert hat.




372
Otto Dix
Blick in den Hegau, 1940.
Mischtechnik
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 100.000

(inkl. Käuferaufgeld)